Schultheater der Länder (SdL)
22. bis 28. 09. 2019 in Halle / Saale
Motto: Bühne.Raum
22. bis 28. 09. 2019 in Halle / Saale
Motto: Bühne.Raum
Alle Berichte: Wolfram Brüninghaus
Fotos: Christof Heinz
Fotos: Christof Heinz
Lieblingsraum - Gedankenraum - Klangraum
Sachsen: „Spielt!“
Eigenproduktion Oberschule Lößnitz - Theater AG Mienenspiel unter Leitung von Claudia Schöniger und Beate Düber
Sachsen: „Spielt!“
Eigenproduktion Oberschule Lößnitz - Theater AG Mienenspiel unter Leitung von Claudia Schöniger und Beate Düber
Die Gruppe wirft sich in den leeren Raum, ihren Spielplatz, schafft durch expressives Agieren Lieblings-, Gedanken- und Klangraum und gibt ihrer Eigenproduktion eine dreiteilige Form. Nach anfänglicher Unentschlossenheit über das Ausfüllen des Lieblingsraums wird dieser im Schwarzlicht tänzerisch strukturiert und geht über in einen Raum, der mit ausgelassenem Tanzen, Rennen und Schreien nach dem Läuten der Schulglocke gefüllt wird. Schließlich geht’s hinaus in den Wald. Zwischen lebendigen Bäumen wird getollt, gelagert und geschlafen.
Mit der Aufforderung „Stell dir vor, du wirst in einen Raum geworfen, du weißt nicht, wozu du da bist, du wirst animiert zu spielen, das ist ein Widerspruch in sich“, wird das Geschehen zu lange ausgehaltenen Szenen des Nachdenkens und In-sich-Gehens.
Ein lauter Hupton leitet über zum dritten Teil, dem Klangraum. Die Mädchengruppe sitzt mit dem Rücken zum Publikum, pfeift und singt vergnügt, während eine Disco-Kugel glitzernde Lichtpunkte in die Dunkelheit schickt. Im langsamen Aufstehen und nach vorne Treten entwickelt sich ein gemeinsamer Gesang. Es ist der Song „The hanging tree“ aus dem Film „Die Tribute von Panem“. Die Unheimlichkeit der Umgebung steigert sich im nicht weniger unheimlichen Liedtext und der als großes Crescendo angelegten Melodie: „Are you coming to the tree, they strung up a man they say who murdered three, strange things did happen here, no stranger would it be, if we meet at midnight in the hanging tree.“ Das Echo kommt aus dem Zuschauerraum. Die Hupe beendet den nächtlichen Spuk, und die Mädchen verlassen ganz langsam winkend rückwärts den Raum.
Leerer Raum am Anfang, leerer Raum am Ende (Peter Brook lässt grüßen), dazwischen diverse Räume, die durchdrungen wurden. Ein mottogerechter Anfang des Festivals.
Mit der Aufforderung „Stell dir vor, du wirst in einen Raum geworfen, du weißt nicht, wozu du da bist, du wirst animiert zu spielen, das ist ein Widerspruch in sich“, wird das Geschehen zu lange ausgehaltenen Szenen des Nachdenkens und In-sich-Gehens.
Ein lauter Hupton leitet über zum dritten Teil, dem Klangraum. Die Mädchengruppe sitzt mit dem Rücken zum Publikum, pfeift und singt vergnügt, während eine Disco-Kugel glitzernde Lichtpunkte in die Dunkelheit schickt. Im langsamen Aufstehen und nach vorne Treten entwickelt sich ein gemeinsamer Gesang. Es ist der Song „The hanging tree“ aus dem Film „Die Tribute von Panem“. Die Unheimlichkeit der Umgebung steigert sich im nicht weniger unheimlichen Liedtext und der als großes Crescendo angelegten Melodie: „Are you coming to the tree, they strung up a man they say who murdered three, strange things did happen here, no stranger would it be, if we meet at midnight in the hanging tree.“ Das Echo kommt aus dem Zuschauerraum. Die Hupe beendet den nächtlichen Spuk, und die Mädchen verlassen ganz langsam winkend rückwärts den Raum.
Leerer Raum am Anfang, leerer Raum am Ende (Peter Brook lässt grüßen), dazwischen diverse Räume, die durchdrungen wurden. Ein mottogerechter Anfang des Festivals.
Es gibt keine absoluten Sicherheiten
Berlin: „Der Bau“
Eigenproduktion frei nach Franz Kafka - Rosa-Luxemburg-Gymnasium Berlin unter Leitung von Sabine Kündiger
Berlin: „Der Bau“
Eigenproduktion frei nach Franz Kafka - Rosa-Luxemburg-Gymnasium Berlin unter Leitung von Sabine Kündiger
Franz Kafkas unvollendete Erzählung von 1924 beinhaltet den vergeblichen Kampf eines Tieres um die Perfektionierung seines unterirdischen Lebensraums zum Schutz vor Feinden und mündet über die zwanghafte Bewachung seines Labyrinths in eine zunehmend paranoide Störung.
Die Spielfläche ist mit einem Halbrund von neun hohen, leicht schräg aufgestellten Wandelementen begrenzt, die mit zerknülltem Zeitungspapier in reliefartiger Anmutung bestückt und so positioniert sind, dass Spalten Auf- und Abtritte ermöglichen. In beiger Kostümierung haben die Tiere durch das Leben im Dunkeln jegliche Farbigkeit verloren. Nagegeräusche, gehetztes Sprechen, nervöses Herumgewusel zu wechselnden Metren und ständiger Akzentverschiebung von Schostakowitschs 2. Cellokonzert durchdringen den Bau. Tote Tiere, die plötzlich auftauchen, lösen Rat- und Kopflosigkeit aus. Am Ende stehen sie gemeinsam zusammen, dem imaginären Feind zu begegnen.
Ein hohe Präzision in den Bewegungen achtete sogar auf kleinste Gesten und machte den Text nahezu überflüssig, ohne Verständlichkeitseinbuße. Über das tierische wurde menschliches Verhalten gespiegelt. Es gibt keine absoluten Sicherheiten, nirgendwo.
Die Spielfläche ist mit einem Halbrund von neun hohen, leicht schräg aufgestellten Wandelementen begrenzt, die mit zerknülltem Zeitungspapier in reliefartiger Anmutung bestückt und so positioniert sind, dass Spalten Auf- und Abtritte ermöglichen. In beiger Kostümierung haben die Tiere durch das Leben im Dunkeln jegliche Farbigkeit verloren. Nagegeräusche, gehetztes Sprechen, nervöses Herumgewusel zu wechselnden Metren und ständiger Akzentverschiebung von Schostakowitschs 2. Cellokonzert durchdringen den Bau. Tote Tiere, die plötzlich auftauchen, lösen Rat- und Kopflosigkeit aus. Am Ende stehen sie gemeinsam zusammen, dem imaginären Feind zu begegnen.
Ein hohe Präzision in den Bewegungen achtete sogar auf kleinste Gesten und machte den Text nahezu überflüssig, ohne Verständlichkeitseinbuße. Über das tierische wurde menschliches Verhalten gespiegelt. Es gibt keine absoluten Sicherheiten, nirgendwo.
Auf dem Catwalk durchs Leben
Bremen: „Cut“
Eigenproduktion der Oberschule Bremen-Habenhausen unter Leitung von Nina Goedde und Miriam Roeder
Bremen: „Cut“
Eigenproduktion der Oberschule Bremen-Habenhausen unter Leitung von Nina Goedde und Miriam Roeder
Auf einem langen Catwalk wird das Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug durchschritten. Der Weg führt dabei durch verschiedene Zeiträume. Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ gibt die Struktur vor. Geburt, Entwicklung vom Jugendlichen zum Erwachsenen, Hochzeit, Kinder, Existenzängste, Eheprobleme, Lebensreflexion bzw. -bilanz, Veränderung im Altwerden und schließlich Sterben. Das Zeitvergehen durchzieht hör- und sichtbar das Geschehen.
Die Kernfragen menschlichen Lebens wurden in Wort, Bewegung, Tanz und Projektionen unter einer Fülle von (zum Teil beliebigen) Musikeinspielungen verhandelt.
Die Kernfragen menschlichen Lebens wurden in Wort, Bewegung, Tanz und Projektionen unter einer Fülle von (zum Teil beliebigen) Musikeinspielungen verhandelt.
Räumlich sehen
Baden-Württemberg: „mein tRaum“
Eigenproduktion in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Weingarten
Spohn-Gymnasium Ravensburg unter Leitung von Oliver Villa und Alexa Becker
Baden-Württemberg: „mein tRaum“
Eigenproduktion in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Weingarten
Spohn-Gymnasium Ravensburg unter Leitung von Oliver Villa und Alexa Becker
Raum wird auf allen Ebenen des Lebens reflektiert: Mutterleib/Kindheit, Wohnraum, Raum zur Denkentfaltung und Raum für Beziehungen. Aufgestapelte Kastenelemente bestehend aus kleinsten Räumen (Wohnungen) dominieren den weiten Bühnenraum und bilden zugleich Projektionsflächen. Die Zeit der Schwangerschaft im Wechselspiel von Zweifel, Zuversicht und Angst wird abgelöst nach der Geburt, von Zukunftsperspektiven, Alltagsbewältigung und Wohnraumenge sowie sich daraus ergebenden Missverständnissen im Zusammenleben. Bei der Beschäftigung mit dem Wohnraum müssen natürlich Begriffe wie Wirtschaftsprognosen, Mietpreisbremse, Dividendensteigerung, Wertschöpfung und Kapitalismus fallen. Ein Kastenelement dient zur Demonstration eines notwendigen heimischen Rückzugsortes. Einraumwohnung, Studentenbude, Platz ist in der kleinsten Hütte, Klaustrophobie, aber dann auch Zwangsräumung, Wohnungssuche, erneut Wohnungsbesichtigung, Zweifel im neuen Zuhause und Mietabschluss. Die erste Nacht in der neuen Wohnung beschert Streit, lässt jedoch harmonischen Schlaf in gemeinsamer Embryonalhaltung finden, und die Live-Kamera projiziert die Innigkeit aus der Waagerechten in die Senkrechte.
Gespielte Philosophie
Nordrhein-Westfalen: „Wenn wir nichts tun, werden wir nichts sein“
Eigenproduktion Goethe-Gymnasium Düsseldorf unter Leitung von Annika von Busekist und Stefanie Elbers
Nordrhein-Westfalen: „Wenn wir nichts tun, werden wir nichts sein“
Eigenproduktion Goethe-Gymnasium Düsseldorf unter Leitung von Annika von Busekist und Stefanie Elbers
Jugendliches Philosophieren in Anlehnung an Janne Tellers Roman „Nichts – Was im Leben wichtig ist“ wird variantenreich durchgespielt. Ist in der Kiste wirklich nichts? Kann das Nichts den Raum verschieben? Ist die Welt aus dem Nichts entstanden? Bedeutet den Erwachsenen die Zukunft nichts? …, waren die zu beantwortenden Fragen. Weg vom negativ-nihilistischen Nichts gelingt der Schritt hin zum Nichts als Chance. Weiße, durchsichtige Kisten füllen auf den ersten Blick den Raum mit Nichts. Mit der Live-Kamera werden auch kleine Dinge sichtbar. In einer großen Choreografie verwandelt sich die Bühne zum bewegten Raum. Schlussappell: „Das Nichts ist ein einziges Weltwunder, ist gut, aber auch böse. Es ist ein lautes, freies, gesundes, Angst machendes, langweiliges, zerstörendes, gefährliches, einsames Nichts. Deshalb ist es ein Wunder, wenn wir es als Chance zur Veränderung begreifen.“
Auf Sand gebaut
Hamburg: „Nicht erreichbar“
Eigenproduktion frei nach Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ - Stadtteilschule Blankenese unter Leitung von Kerstin Hähnel
Hamburg: „Nicht erreichbar“
Eigenproduktion frei nach Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ - Stadtteilschule Blankenese unter Leitung von Kerstin Hähnel
Eine Teenager-Maria wird heute schwanger und durchleidet wie schon 1844 Seelennöte und Unverständnis. Der Vater bzw. ein möglicher Trostspender sind nicht erreichbar. Am Ende überrascht (dann doch) ein versöhnlicher Schluss vor einer großen Choreografie, begleitet von fettem Hollywood Music Sound: liebevolle Umarmung. Eine raumgreifende Sandfläche mit Kinderspielplatzrutsche ist der Ort der Auseinandersetzung und ist zugleich ein Bild für trügerisch sicheren Boden, auf dem Spuren zurückbleiben.
Amüsieren wir uns (zu Tode)!
Thüringen: „Thincs“
Eigenproduktion frei nach Janne Teller - Staatliches Gymnasium „Albert Schweitzer“ Erfurt unter Leitung von Heiko Wolf
Thüringen: „Thincs“
Eigenproduktion frei nach Janne Teller - Staatliches Gymnasium „Albert Schweitzer“ Erfurt unter Leitung von Heiko Wolf
Nicht lange über den kryptischen Titel nachdenken! (Noch einmal) gab Janne Teller die Inspiration. Und den Scrabble-Kundigen wird es nicht schwer fallen, die Buchstaben des Titels zu ordnen, um auf das nahe liegende „Nichts“ zu kommen.
Ungewöhnlich! Hier ist der Außenseiter ein Mädchen. Von seinem Baum (Rangplatz) herab provoziert es seine Umwelt mit der nihilistischen Behauptung, das Leben sei überhaupt nichts wert, das Leben sei ein Spiel. Die Romanhandlung wurde gekürzt und mit eigenen spielerischen Akzenten versehen, wie z.B. die Einbeziehung des Publikums. Der Bühnenraum weitete sich bis in den Zuschauerraum und auf die Ränge. Dem Entschluss („Wir brauchen etwas, was uns etwas bedeutet!“), etwas der Trostlosigkeit entgegenzusetzen, folgte das Aufhäufen von individuell bedeutsamen, imaginären Gegenständen in Form von schwarzen Sitzwürfeln. Der gespenstische Berg wird umlagert, bis die Erkenntnis sich durchsetzt, dass alles keinen Sinn mehr hat. Vom Rang herab ertönt die niederschmetternde Prognose, „Euch bleiben noch neun Jahre zum Leben!“, und sie löst Streit und Klagen aus. Der Opferberg stürzt in sich zusammen. Doch nun setzt sich eine neue Perspektive durch, wonach alles, was glücklich macht, etwas bedeutet. Aus dem Publikum heraus treten die Mitwirkenden mit leuchtenden Gegenständen, wie Buch, Herz, Blüte, Bild oder Puppe, auf die Bühne, lassen erneut einen Berg entstehen und sprechen über ihre Trennung von diesen Gegenständen und was der Verlust für sie bedeutet. Das Mädchen kommt herab von seinem Baum und rechnet mit seinen Widersachern ab. Die aber kreisen es ein und bringen es zu Tode. „Sterben ist so leicht, weil der Tod keine Bedeutung hat. Also amüsieren wir uns!“
Ungewöhnlich! Hier ist der Außenseiter ein Mädchen. Von seinem Baum (Rangplatz) herab provoziert es seine Umwelt mit der nihilistischen Behauptung, das Leben sei überhaupt nichts wert, das Leben sei ein Spiel. Die Romanhandlung wurde gekürzt und mit eigenen spielerischen Akzenten versehen, wie z.B. die Einbeziehung des Publikums. Der Bühnenraum weitete sich bis in den Zuschauerraum und auf die Ränge. Dem Entschluss („Wir brauchen etwas, was uns etwas bedeutet!“), etwas der Trostlosigkeit entgegenzusetzen, folgte das Aufhäufen von individuell bedeutsamen, imaginären Gegenständen in Form von schwarzen Sitzwürfeln. Der gespenstische Berg wird umlagert, bis die Erkenntnis sich durchsetzt, dass alles keinen Sinn mehr hat. Vom Rang herab ertönt die niederschmetternde Prognose, „Euch bleiben noch neun Jahre zum Leben!“, und sie löst Streit und Klagen aus. Der Opferberg stürzt in sich zusammen. Doch nun setzt sich eine neue Perspektive durch, wonach alles, was glücklich macht, etwas bedeutet. Aus dem Publikum heraus treten die Mitwirkenden mit leuchtenden Gegenständen, wie Buch, Herz, Blüte, Bild oder Puppe, auf die Bühne, lassen erneut einen Berg entstehen und sprechen über ihre Trennung von diesen Gegenständen und was der Verlust für sie bedeutet. Das Mädchen kommt herab von seinem Baum und rechnet mit seinen Widersachern ab. Die aber kreisen es ein und bringen es zu Tode. „Sterben ist so leicht, weil der Tod keine Bedeutung hat. Also amüsieren wir uns!“
Das Kräftefeld in der Reflexionsarena
Bayern: „Kasimir und Karoline“ - von Ödön von Horváth
Oberstufentheater des Dientzenhofer-Gymnasiums Bamberg unter Leitung von Dominik Stoecker und Ludwig Bieger
Bayern: „Kasimir und Karoline“ - von Ödön von Horváth
Oberstufentheater des Dientzenhofer-Gymnasiums Bamberg unter Leitung von Dominik Stoecker und Ludwig Bieger
Auf dem Oktoberfest seine brüchige Beziehung retten zu wollen, ist wirklich ein irrwitziges Unterfangen, dem sich Kasimir und seine Karoline aussetzen. Die wirtschaftliche Situation beider ist prekär, das Selbstbewusstsein beschädigt. Das beabsichtigte Zueinander endet in der Trennung, und beide gehen mit jeweils neuen Partnern davon. Liebe und Menschlichkeit wurden zum Luxus, den sie sich nicht mehr leisten können. Sehnsucht, gebrochene Herzen, aber das Leben geht weiter als wäre nichts geschehen. Mit einem populären Oktoberfestlied klingt der Sozialbefund aus dem Alltag der kleinen Leute aus.
Das Geschehen war innerhalb der Rechteckarena auf das Kräftefeld einer Diagonale ausgerichtet. Das Spiel war eigenartig kühl, emotionsarm und fand seine Sinnlichkeit in bewegten, choreografierten Teilen. Die zwanghaften Reaktionen auf Konventionen spiegelten die Gefühlskälte und gaben den Protagonisten traurige Individualität. Die Gruppe entschied sich, das Stück gemeinsam zu tragen, folglich spielten mehrere Personen die gegebenen Rollen. Chorisches Kommentieren bzw. Singen bewiesen sich als Volksfestgetriebe.
Das Geschehen war innerhalb der Rechteckarena auf das Kräftefeld einer Diagonale ausgerichtet. Das Spiel war eigenartig kühl, emotionsarm und fand seine Sinnlichkeit in bewegten, choreografierten Teilen. Die zwanghaften Reaktionen auf Konventionen spiegelten die Gefühlskälte und gaben den Protagonisten traurige Individualität. Die Gruppe entschied sich, das Stück gemeinsam zu tragen, folglich spielten mehrere Personen die gegebenen Rollen. Chorisches Kommentieren bzw. Singen bewiesen sich als Volksfestgetriebe.
Vom Whatsen und anderen Glückseligkeiten
Brandenburg: „ZeiTRäume“
Eigenproduktion - Dr. Hugo Rosenthal Oberschule Hohen Neuendorf unter Leitung von Ulrike Hanitzsch
Brandenburg: „ZeiTRäume“
Eigenproduktion - Dr. Hugo Rosenthal Oberschule Hohen Neuendorf unter Leitung von Ulrike Hanitzsch
Ein Hoch auf das Kommunikationsmittel unserer Zeit! Wir sehen auf einer Projektionswand Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen: Kind im Bett mit Tablet, Arbeiter in der Pause mit Handy, Eisangler fischt im Facebook-Loch, Storch bringt Baby, und ein Vogel liefert das Handy nach. Im Sog der sozialen Netzwerke sind die Jugendlichen auf der Suche nach eigener Identität im Gegensatz zu einer virtuellen. Eine Reise durch Raum, Traum und Zeit beginnt. In Einzimmerholzbehausungen, die sich mauerartig stapeln ließen, nimmt sie ihren Ausgang. Räume weiten sich. Eine kritische Auseinan-dersetzung setzt ein mit Vorlieben, neuen Gewohnheiten, mit eigenem Handy-Gebrauch, dabei mit „Whatsen“, Instagram- und Facebook-Präsenz. Ein kleines Mädchen (die Tochter der Spielleiterin) hält den Jugendlichen den Spiegel vor. Alle kramen schließlich in einer großen Kiste und entdecken in ihr Spielsachen, Kuscheltiere und Bücher, aus denen sie zeilenweise vorlesen (z. B. aus dem „Kleinen Prinz“) und machen es sich bequem. Ja, wenn sich nur immer die Verlockung, nach solchen Alternativangeboten zu greifen, so erfolgreich durchsetzen ließe! Die Kastenelemente werden umgedreht und zu einer Pyramide aufgestapelt. Und der Schriftzug eines schönen erziehlichen Ratschlags ist zu lesen: „Träume so viel wie möglich, sei frei!“
Sturzregen im Zuschauerraum
Hessen: „Räume! Räumen!“
Eigenproduktion – Wilhelmsgymnasium Kassel unter Leitung von Kirstin Porsche
Hessen: „Räume! Räumen!“
Eigenproduktion – Wilhelmsgymnasium Kassel unter Leitung von Kirstin Porsche
Ja, in der Mehrzahl! Unterschiedliche Räume entstehen wie aus dem Nichts. Und das Baumaterial dafür sind große, weiße, rechteckige Pappbögen. Kein Wort wird dazu gesprochen, wenn Freiräume, Klangräume, Atemräume, Schutzräume, öffentliche Räume, Rückzugsräume, Gedanken- und Bedeu-tungsräume wachsen. Geräusche und Projektionen sind in der Definierung behilflich. Räume sind Bühne, Vorbühne und der gesamte Zuschauerraum, in dem das Publikum u.a. durch die Pappen vor dem plötzlichen (akustischen) Platzregen beschützt wurde. In faszinierender, bewegter und atmosphä-rischer Vielfalt werden Räume geschaffen, bespielt, verwandelt oder auch wieder aufgelöst.
Konsequent unterwarf sich die Gruppe der Materialität ihres so variablen Requisits. Den Rhythmus machte sie zum dramaturgischen Prinzip. In erstaunlichem Spielfluss läuft das Durchschreiten der unterschiedlichsten Räume ab.
Konsequent unterwarf sich die Gruppe der Materialität ihres so variablen Requisits. Den Rhythmus machte sie zum dramaturgischen Prinzip. In erstaunlichem Spielfluss läuft das Durchschreiten der unterschiedlichsten Räume ab.
Entkommen zwecklos
Schleswig-Holstein: „Anderland“
Eigenproduktion in Kooperation mit dem Theater Lübeck
Grund- und Gemeinschaftsschulen St. Jürgen Lübeck unter Leitung von Simone Boles und Knut Winkmann
Schleswig-Holstein: „Anderland“
Eigenproduktion in Kooperation mit dem Theater Lübeck
Grund- und Gemeinschaftsschulen St. Jürgen Lübeck unter Leitung von Simone Boles und Knut Winkmann
Das Publikum war eingeladen ins Anderland, in den Kosmos der unendlichen Möglichkeiten, ins Dunkel-Netz der Bits und Bytes mit dem unablässigen Streben nach Likes. Der Raum der analogen Welt verschmilzt mit dem der digitalen, und der verstärkte Zwang, dem Druck nachzugeben, zu liefern, zu performen, unter ständiger Kontrolle und Bereitschaft zu funktionieren, manifestiert sich.
Die Aufführung ging am radikalsten mit dem Raum um. Das Publikum war auf die geräumigen Ränge beordert, und der Zuschauerraum war die Aktionsfläche. Der Blick auf sie herab war bestens möglich, vor allem auf die fulminanten (professionellen) Videoprojektionen hinunter auf die weiße Spielfläche. Ein Entkommen aus dem vereinnahmenden Raum war nicht möglich. Die Szenen waren klar choreografiert, gingen fließend ineinander über, und die dargestellte Atemlosigkeit übertrug sich bis in die Ränge hinauf. Das Publikum verließ benommen das Theater.
Die Aufführung ging am radikalsten mit dem Raum um. Das Publikum war auf die geräumigen Ränge beordert, und der Zuschauerraum war die Aktionsfläche. Der Blick auf sie herab war bestens möglich, vor allem auf die fulminanten (professionellen) Videoprojektionen hinunter auf die weiße Spielfläche. Ein Entkommen aus dem vereinnahmenden Raum war nicht möglich. Die Szenen waren klar choreografiert, gingen fließend ineinander über, und die dargestellte Atemlosigkeit übertrug sich bis in die Ränge hinauf. Das Publikum verließ benommen das Theater.
Tür auf, Tür zu
Sachsen-Anhalt: „(T)RAUM(ZEIT)“
Eigenproduktion – Geschwister-Scholl-Gymnasium Sangerhausen unter Leitung von Gabriele Horn
Sachsen-Anhalt: „(T)RAUM(ZEIT)“
Eigenproduktion – Geschwister-Scholl-Gymnasium Sangerhausen unter Leitung von Gabriele Horn
Auf einer Arena-Spielfläche ist für jeden der Mitwirkenden ein kleines Wohlfühlareal integriert, das vorher liebevoll, mit Klebeband abgesteckt war. Sie stehen, sitzen und gleich zu Beginn scheinen sie nach den Sternen greifen zu wollen. Ihre kleinen Lebenswelten füllen sie mit Alltäglichem. Der Drang zu Individualität findet witzig seinen Niederschlag: „Wenn ich meine Hose falsch anhabe, dann hat die ganze Welt die Hose falsch an, nur ich nicht.“ Die Suche nach Kontakt zum Anderen beginnt, erfordert Mut, aber auch Ermutigung, wird von Angst begleitet und endet womöglich im Scheitern. Machen sich die Jugendlichen, die sich selber spielen, auf den Weg, verlassen sie ihren eigenen Wohlfühlraum, dann lösen sie den Klebestreifen vom Boden, treten hinaus und verschließen wieder den Raum. Grundbedürfnis nach Ordnung. Individualität und kollektive Annäherung durchdringen den Raum der Räume, und in hoher Präsenz gibt das Klavier die Begleitmusik dazu.
Wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte
Saarland: „Freiräume“
Eigenproduktion - Gymnasium Ottweiler unter Leitung von Dagmar Wiltz
Saarland: „Freiräume“
Eigenproduktion - Gymnasium Ottweiler unter Leitung von Dagmar Wiltz
„Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“ Die Stückerarbeitung nahm mit dem berühmten Rilke-Gedicht „Der Panther“ ihren Ausgang. Die sinnbildliche Darstellung aller gefangenen Kreatur, tierische wie menschliche, bildet den Kern. Sie geht an den gesetzten Grenzen zugrunde. Gefangenschaft und Freiheit werden auf der Bühne gegenübergestellt. Wie frei sind wir? Wie viel Raum haben wir? Charaktere dreier Generationen werden daraus entwickelt und agieren miteinander. In der Reflexion über eigene Freiräume bzw. Zwänge entstehen Szenen sowie auch szenische Metaphern ganz nah an jugendlichem Erleben. Räume sind hier hauptsächlich Gedankenräume. Eine resignativ-realistische Erkenntnis beendet das Stück: „Mit manchen Gefangenschaften muss man leben.“
Da sieht der Mensch alt aus
Mecklenburg-Vorpommern: „Moby Dick oder die Qual des Wals“
nach Herman Melville - Montessorischule Greifswald unter Leitung von Christian Holm
Mecklenburg-Vorpommern: „Moby Dick oder die Qual des Wals“
nach Herman Melville - Montessorischule Greifswald unter Leitung von Christian Holm
Das Geschehen bewegt sich auf unsicherem Untergrund, dazu kommen Nebel, Blitze, Sturm und Seegang.Alle Mitwirkenden werden von einer Seite der Bühne (des Schiffs) zur anderen hin- und hergeworfen. Streifenshirts und Kappen genügen, sie als Seeleute zu erkennen. Das Bewerbungsverfahren für den Job des Walfängers gerät zu einer peinlich-skurrilen Befragung, an deren Ende jedoch alle Bewerber mangels Alternativen zum Bundesfischdienst genommen werden. Das Leben an und unter Deck nimmt seinen Lauf, bis der tyrannische Captain Ahab auftaucht, Moby Dick als Fangziel und dafür Angst als wichtigste Tugend ausgibt. Mitten ins Walfangtraining platzt die Nachricht von Moby Dicks Sichtung. Mühsam wird er schließlich aus dem roten Wasser herangezogen. Im Perspektivwechsel werden Walprodukte aufgezählt. Doch im Leib des Tieres wurde eine Unmenge Plastikmüll gefunden und auf Deck ausgekippt. Aus Betretenheit wachsen Heimweh und der Wunsch nach den Annehmlichkeiten von Familie und Schule. Das Schiff treibt gegen einen Eisberg, doch das Leck kann geschlossen werden. Eine Kinderstimme spricht das Schlusswort: „Wenn die Natur zurückschlägt, sieht der Mensch alt aus.“
Sehr kraftvoll bewegte Szenen wechseln ab mit Erzählpassagen (gelesen an einem schwankenden Tisch) und mit gesellschaftskritischen Aktualitäts-bezügen.
Sehr kraftvoll bewegte Szenen wechseln ab mit Erzählpassagen (gelesen an einem schwankenden Tisch) und mit gesellschaftskritischen Aktualitäts-bezügen.
Das nächste Schultheater der Länder (SdL) findet vom 20. bis 26. 9. 2020 in Ingelheim / Rhein unter dem Motto „Global.Lokal“ statt.