Schultheater in Burgebrach / Oberfranken
Zwei Schulen, die erst kürzlich durch die Verleihung des Staatspreises für kulturelles Engagement geehrt wurden, zeigten am 30. 4. 2024 im Kulturraum Burgebrach ihre neuesten Bühnenproduktionen. Eine schöne, aber unbeabsichtigte Gemeinsamkeit bestand darin, dass sich beide Stücke mit dem Treiben von Dämonen befassten.
Menetekel ins Publikum gereicht
„Der Zauberlehrling“ nach J. W. Goethe,
Musik-Theater-AG des SFZ Burgebrach-Stappenbach
unter Leitung von Eva Kaiser, musikalische Mitarbeit Roman Nowak
Was machen, wenn der Einsatz von Wasser auf der Bühne nicht möglich ist? Sieben glänzende Metalleimer stehen doch schon bereit und warten befüllt zu werden. Da muss ein Einfall her!
Wir befinden uns in einem Zaubererausbildungsbetrieb. Die drei Lehrlinge mit langen, schwarzen Umhängen, deren Innenseiten rot leuchten, haben viel gelernt und es reizt sie nun, ihr Wissen und Können ohne den Meister auszutesten.
Hinter ihnen stehen schon die Geister mit weißen Plastikmasken stramm, um in Gang gesezt zu werden. Doch zunächst geben sie alle in einer Bewegungschoreografie mit Live-Klavierbegleitung Einblick in ihr Handwerk: Handschuhe anziehen und aus dem Ärmel bunte Tücher ziehen. Der Einstieg ist geschafft. Nun muss nur noch das Entscheidende getan werden. Einer der Geister wird stellvertretend für alle durch Ziehen an imaginären Fäden aktiviert. Textinhalte von Goethes Ballade werden vom Klavier begleitet gemeinsam singend mitgeteilt, und die sieben Geister nehmen die Eimer an sich. Auf der Bühne wird wildes Durcheinander eines Putzmarathons besungen. Das energische „Stopp“ der Lehrlinge bleibt wirkungslos. Ihre weit ausgebreiteten Umhänge sind kein Hindernis, sondern vielmehr leicht gängige Drehtüren, die niemanden aufhalten. Sie setzen sich resigniert an die Rampe, sind am Ende ihres Lateins. Da fährt geräuschvoll die Projektionsleinwand herunter und gibt den Blick frei auf drei Bilder, die Beispiel gebend für viele Zivilisationssünden stehen: emblematisch die Tschernobyl-Ruine, ein überfüllter Autobahnabschnitt und eine akkurat begradigte Flusslandschaft. Die Geister rufen den in Büßerhaltung kauernden Lehrlingen zu: „Ihr habt euch überschätzt!“ Und wir im Publikum sind sofort auch direkt angesprochen. Goethe scheint durch den Saal zu rufen: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“ Das aus dem Ruder gelaufene Bühnengeschehen kommt (zwangsläufig) zum Stillstand, aber die Zuschauerinnen und Zuschauer haben von den Kindern unfreiwillig einen Handlungsauftrag bekommen.
Die Gruppe um Eva Kaiser mit Unterstützung von Roman Nowak, der auch die Musik komponiert hatte, bebilderte schlüssig die Ballade auf ihre ganz eigene Weise, sicher unerwartet für das Publikum. Besonders reizvoll waren die Gesangsteile, die das Gezeigte ergänzten, waren die klar gesetzten Bewegungsabläufe und war der wohltuend begrenzte Sprechanteil. Und doch wurde so viel gesagt!
Menetekel ins Publikum gereicht
„Der Zauberlehrling“ nach J. W. Goethe,
Musik-Theater-AG des SFZ Burgebrach-Stappenbach
unter Leitung von Eva Kaiser, musikalische Mitarbeit Roman Nowak
Was machen, wenn der Einsatz von Wasser auf der Bühne nicht möglich ist? Sieben glänzende Metalleimer stehen doch schon bereit und warten befüllt zu werden. Da muss ein Einfall her!
Wir befinden uns in einem Zaubererausbildungsbetrieb. Die drei Lehrlinge mit langen, schwarzen Umhängen, deren Innenseiten rot leuchten, haben viel gelernt und es reizt sie nun, ihr Wissen und Können ohne den Meister auszutesten.
Hinter ihnen stehen schon die Geister mit weißen Plastikmasken stramm, um in Gang gesezt zu werden. Doch zunächst geben sie alle in einer Bewegungschoreografie mit Live-Klavierbegleitung Einblick in ihr Handwerk: Handschuhe anziehen und aus dem Ärmel bunte Tücher ziehen. Der Einstieg ist geschafft. Nun muss nur noch das Entscheidende getan werden. Einer der Geister wird stellvertretend für alle durch Ziehen an imaginären Fäden aktiviert. Textinhalte von Goethes Ballade werden vom Klavier begleitet gemeinsam singend mitgeteilt, und die sieben Geister nehmen die Eimer an sich. Auf der Bühne wird wildes Durcheinander eines Putzmarathons besungen. Das energische „Stopp“ der Lehrlinge bleibt wirkungslos. Ihre weit ausgebreiteten Umhänge sind kein Hindernis, sondern vielmehr leicht gängige Drehtüren, die niemanden aufhalten. Sie setzen sich resigniert an die Rampe, sind am Ende ihres Lateins. Da fährt geräuschvoll die Projektionsleinwand herunter und gibt den Blick frei auf drei Bilder, die Beispiel gebend für viele Zivilisationssünden stehen: emblematisch die Tschernobyl-Ruine, ein überfüllter Autobahnabschnitt und eine akkurat begradigte Flusslandschaft. Die Geister rufen den in Büßerhaltung kauernden Lehrlingen zu: „Ihr habt euch überschätzt!“ Und wir im Publikum sind sofort auch direkt angesprochen. Goethe scheint durch den Saal zu rufen: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“ Das aus dem Ruder gelaufene Bühnengeschehen kommt (zwangsläufig) zum Stillstand, aber die Zuschauerinnen und Zuschauer haben von den Kindern unfreiwillig einen Handlungsauftrag bekommen.
Die Gruppe um Eva Kaiser mit Unterstützung von Roman Nowak, der auch die Musik komponiert hatte, bebilderte schlüssig die Ballade auf ihre ganz eigene Weise, sicher unerwartet für das Publikum. Besonders reizvoll waren die Gesangsteile, die das Gezeigte ergänzten, waren die klar gesetzten Bewegungsabläufe und war der wohltuend begrenzte Sprechanteil. Und doch wurde so viel gesagt!
Dämonendämmerung
„Teufelsland“ nach einer Erzählung von J. N. Williamson,
Mittelschule Burgebrach (M 10 im Klassenverband)
unter Leitung von Sylvelin Leipold
Der Titel der Horrorerzählung „Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe“ gibt sofort den Blick frei auf die Zielrichtung des Geschehens. So war es (der Spannung wegen) beabsichtigt, ihn zu verschweigen.
Was wird denn da gebaut? Schwarz gekleidete Gestalten tragen dunkle Holzwürfel heran und lassen polternd etwas entstehen, das sich dann nach dem Stellen einer großen Standleiter als ein karger Raum herausstellt. Die obere Leiteröffnung ist eine Einstiegsluke. Und mit den Worten „endlich mein Bunker“ steigt ein Spieler in sein Verlies und verschließt hermetisch den Eingang. Wenige Handgriffe genügen, um sein zufriedenes Eingewöhnen in die neue Umgebung nachzuvollziehen: Staubkontrolle am Geländer, Sendersuche im kleinen, rauschenden Transistorradio, An- und Ausknipsen einer Taschenlampe und Nachzählen des Wasservorrats. Check abgeschlossen. Da klopft's an der Luke. Ein Freund will ihn mit zwei Flaschen Bier besuchen, wird aber brüsk und mit derben Worten abgewiesen: „Ihr könnt mich alle mal!“ Beim Zeitunglesen beruhigt er sich. Vor der Bunkertür halten sich vier Menschen, darunter auch sein Freund, auf und geraten sofort in Panik, als plötzlich Sirenengeheul losbricht. Sie stürmen an die Einstiegsluke, doch vergeblich trommeln sie dagegen und geraten außer sich. Der Bunkerherr öffnet nicht, sondern ruft vielmehr: „Ich nehme Rache an euch!“ Wir ahnen einen vorausgegangenen Zwist. Die Ausgesperrten stürzen zu Boden. Totenstille. Da kriecht er langsam die Leiter hinauf an die Luke und horcht nach draußen. Nichts! Er nimmt das Transistorradio, findet schnell im Suchlauf eine fetzige Popnummer und tanzt ausgelassen. Ja, er hat überlebt! Doch plötzlich kriechen aus den Mauerspalten rot-blutige Dämonen und überwältigen den Rächer. Ein weiß gekleidetes Mädchen gebietet Einhalt, zieht ihn an sich heran, um ihn gleich wieder fallen zu lassen. Die Dämonen flüstern: „Weiß Gott, wie die Erde aussieht!?“ Die Leiter kippt. Der Bunker birst. Die weiße Gestalt stellt fest: „So ist der Mensch. Das ist der Mensch. Du bist der Mensch. Sieh an, was du getan hast! Das ist mein Reich!“ Jetzt wird endlich klar, dass der Teufel (mit der weißen Weste) seine dunklen Herrschaftsansprüche dokumentiert hat. Wie von ihm ferngelenkt, wanken alle von der Bühne. Aus dem rückwärtigen Zuschauerraum tönt kraftvoll „O fortuna velut luna statu variabilis“ aus Carl Orffs „Carmina Burana“. Die fällige Antwort auf das teuflische Tun: Wechselhaftigkeit von Glück und Wohlstand, Prämissen menschlichen Daseins. Dazu steht nun der Teufel auf einem Holzwürfel, die Arme ausgebreitet wie Cristo Redentor hoch über Rio, und macht klar: „Das ist aber nun Teufelsland!“ Aus dem Publikum heraus nähern sich Spielerinnen und Spieler, „So ist der Mensch“ flüsternd, und recken dem vermeintlichen Salvator die Arme entgegen. Ein Sieg des Teufels? Nein, denn die Jugendlichen wenden sich noch rechtzeitig ab und dem Publikum zu: „Du bist der Mensch!“ Die Hoffnung bleibt.
Es ist schon erstaunlich, mit welchem Ernst die Teufelsgeschichte strukturiert und gespielt wurde. Da genügten einige Kernsätze sowie einfache, aber effiziente Gegenstände und Requisiten, um die Handlung zu verstehen. Aktionen auf der Bühne waren nie beliebig, blieben wohl gesetzt und hatten Form. Die ursprüngliche Horrorgeschichte bekam neben ihrer Spannungssteigerung eine altersgemäße Ausweitung von philosophischer Anmutung.
Text: Wolfram Brüninghaus
Fotos: Eva Kaiser
„Teufelsland“ nach einer Erzählung von J. N. Williamson,
Mittelschule Burgebrach (M 10 im Klassenverband)
unter Leitung von Sylvelin Leipold
Der Titel der Horrorerzählung „Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe“ gibt sofort den Blick frei auf die Zielrichtung des Geschehens. So war es (der Spannung wegen) beabsichtigt, ihn zu verschweigen.
Was wird denn da gebaut? Schwarz gekleidete Gestalten tragen dunkle Holzwürfel heran und lassen polternd etwas entstehen, das sich dann nach dem Stellen einer großen Standleiter als ein karger Raum herausstellt. Die obere Leiteröffnung ist eine Einstiegsluke. Und mit den Worten „endlich mein Bunker“ steigt ein Spieler in sein Verlies und verschließt hermetisch den Eingang. Wenige Handgriffe genügen, um sein zufriedenes Eingewöhnen in die neue Umgebung nachzuvollziehen: Staubkontrolle am Geländer, Sendersuche im kleinen, rauschenden Transistorradio, An- und Ausknipsen einer Taschenlampe und Nachzählen des Wasservorrats. Check abgeschlossen. Da klopft's an der Luke. Ein Freund will ihn mit zwei Flaschen Bier besuchen, wird aber brüsk und mit derben Worten abgewiesen: „Ihr könnt mich alle mal!“ Beim Zeitunglesen beruhigt er sich. Vor der Bunkertür halten sich vier Menschen, darunter auch sein Freund, auf und geraten sofort in Panik, als plötzlich Sirenengeheul losbricht. Sie stürmen an die Einstiegsluke, doch vergeblich trommeln sie dagegen und geraten außer sich. Der Bunkerherr öffnet nicht, sondern ruft vielmehr: „Ich nehme Rache an euch!“ Wir ahnen einen vorausgegangenen Zwist. Die Ausgesperrten stürzen zu Boden. Totenstille. Da kriecht er langsam die Leiter hinauf an die Luke und horcht nach draußen. Nichts! Er nimmt das Transistorradio, findet schnell im Suchlauf eine fetzige Popnummer und tanzt ausgelassen. Ja, er hat überlebt! Doch plötzlich kriechen aus den Mauerspalten rot-blutige Dämonen und überwältigen den Rächer. Ein weiß gekleidetes Mädchen gebietet Einhalt, zieht ihn an sich heran, um ihn gleich wieder fallen zu lassen. Die Dämonen flüstern: „Weiß Gott, wie die Erde aussieht!?“ Die Leiter kippt. Der Bunker birst. Die weiße Gestalt stellt fest: „So ist der Mensch. Das ist der Mensch. Du bist der Mensch. Sieh an, was du getan hast! Das ist mein Reich!“ Jetzt wird endlich klar, dass der Teufel (mit der weißen Weste) seine dunklen Herrschaftsansprüche dokumentiert hat. Wie von ihm ferngelenkt, wanken alle von der Bühne. Aus dem rückwärtigen Zuschauerraum tönt kraftvoll „O fortuna velut luna statu variabilis“ aus Carl Orffs „Carmina Burana“. Die fällige Antwort auf das teuflische Tun: Wechselhaftigkeit von Glück und Wohlstand, Prämissen menschlichen Daseins. Dazu steht nun der Teufel auf einem Holzwürfel, die Arme ausgebreitet wie Cristo Redentor hoch über Rio, und macht klar: „Das ist aber nun Teufelsland!“ Aus dem Publikum heraus nähern sich Spielerinnen und Spieler, „So ist der Mensch“ flüsternd, und recken dem vermeintlichen Salvator die Arme entgegen. Ein Sieg des Teufels? Nein, denn die Jugendlichen wenden sich noch rechtzeitig ab und dem Publikum zu: „Du bist der Mensch!“ Die Hoffnung bleibt.
Es ist schon erstaunlich, mit welchem Ernst die Teufelsgeschichte strukturiert und gespielt wurde. Da genügten einige Kernsätze sowie einfache, aber effiziente Gegenstände und Requisiten, um die Handlung zu verstehen. Aktionen auf der Bühne waren nie beliebig, blieben wohl gesetzt und hatten Form. Die ursprüngliche Horrorgeschichte bekam neben ihrer Spannungssteigerung eine altersgemäße Ausweitung von philosophischer Anmutung.
Text: Wolfram Brüninghaus
Fotos: Eva Kaiser