64. Theatertage der bayerischen Gymnasien, 20. bis 23. Juli 2022 in Aschaffenburg
Licht ins Dunkel
„Leuchtturm“
Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe des Ludwigsgymnasiums Straubing unter Leitung von Karlheinz Frankl
Licht ins Dunkel
„Leuchtturm“
Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe des Ludwigsgymnasiums Straubing unter Leitung von Karlheinz Frankl
Bühne auf der Bühne. Drei Jugendliche (zwei Mädchen, ein Junge) fühlen sich unsicher. Alle übrigen Mitwirkenden sitzen rechts und links am Bühnenrand und betrachten das Geschehen dazwischen. Die drei sind aus dem Heim entkommen, wollen aber auch nicht zurück ins schwierige häusliche Umfeld. Sie scheinen im Zug unterwegs zu sein. Fragen nach Reiseziel, Familiensituation oder Freundschaften bleiben unbeantwortet. Eins aber ist klar: Sie bleiben zusammen. Warten, Zeit-vergehen-lassen werden wirkungsvoll ausgespielt. Ein Polizist greift die beiden Mädchen auf, der Junge bleibt zurück. Drei skurrile Leuchtturmgestalten treten auf. Der eine in gelbem Friesennerz und einer rot-weiß-gestreiften Strohhandtasche auf dem Kopf lässt eine Grubenlampe langsam kreisen. Der zweite Leuchtturm trägt eine Stirnlampe, der dritte einen Leuchtgürtel. Sie unterhalten sich über ihren im Licht entdeckten Fund. Auf dem Jugendamt wird eine Rauferei zur Sprache gebracht und die desolate Familiensituation erläutert. Blitzschnelle Szenenwechsel werden möglich durch das „Hereinspringen“ von den seitlichen Stuhlreihen. Zwei Mädchen klagen: Wenn sie erst mal im Heim wären, würden sie nie mehr herauskommen. Zwei andere lästern: „Lieber keine Eltern als meine!“ Ein Traumtanz ist die Antwort auf die Absicht, alleine zum Mond zu fliegen. Wieder erscheinen die drei Leuchttürme als stille Chronisten in ihrem Wirken, Licht ins Dunkel zu bringen. Im Heim wird heftig über das Verschwinden der Jugendlichen diskutiert. Kleine, feine, ausgeklügelt kurz gehaltnene Szenen spiegeln das Innenleben im Heim bzw. das Eingebundensein in Therapiemaßnahmen und das Unverständnis des Personals. Eine Steilvorlage für Sarkasmus, Ironie und Humor, wie z.B.: „Ist dein Vater Rennfahrer oder Fremdgeher?“ Die Heimleitung bemüht sich um ein harmonisches Klima und um besondere Aktivitätsangebote. Insassen unterhalten sich über mögliche Weihnachtsgeschenke: Mark-Forster-CD, Familienfoto ohne sich, Reitschein, Ballettschuhe, … . Doch Weihnachten endet zwangsläufig im Streit. In eine Auseinandersetzung über ein Handy werden mehrere Jugendliche hineingezogen und sie reagieren individuell unterschiedlich, am heftigsten jedoch mit der Absicht auszubrechen. Schließlich finden alle (ihren) Platz auf einem Stuhl und sie wechseln noch mehrmals die Positionen. Die drei Leuchttürme als stille Beobachter eines Geschehens, in das sie nicht eingreifen konnten, ziehen Bilanz und bemühen dabei das Bild von auf- und absteigenden Lebenslinien. Welch schöne Doppeldeutigkeit zu ihren Kernaufgaben! Die drei Jugendlichen vom Anfang diskutieren über ihre Zielerreichung. Und alle stimmen ein in einen chorischen Abgesang: „Wir wollen reinrollen ins Leben“ (in Niederbayrisch)!
Die Gruppe begann ihre Arbeit mit der Aneignung von drei literarischen Texten: Marie Luise Kaschnitz, Erzählgedicht „Leuchtturm“ (sehr düster, welch Anachronismus!) / Günter Ohnemus, Kurzprosa „Umsteigebahnhof“ / Margret Steenfatt, Kurzgeschichte „Im Spiegel“. Alle Texte mit der Grundproblematik des schwierigen Verhältnisses zwischen Kindern und Eltern. Aus Improvisationen entwickelten sich Szenen mit wechselnden Rollen und mit selbst konzipierten Dialogen. Verlangsamte Mimik und Gestik, groteskhaftes Schärfen und sicheres Gefühl für nötige Zeitanpassungen erzielten eine Intensität, die den jugendlichen Diskurs zur Ausgangsproblematik so nachhaltig ins Publikum trug.
Die Gruppe begann ihre Arbeit mit der Aneignung von drei literarischen Texten: Marie Luise Kaschnitz, Erzählgedicht „Leuchtturm“ (sehr düster, welch Anachronismus!) / Günter Ohnemus, Kurzprosa „Umsteigebahnhof“ / Margret Steenfatt, Kurzgeschichte „Im Spiegel“. Alle Texte mit der Grundproblematik des schwierigen Verhältnisses zwischen Kindern und Eltern. Aus Improvisationen entwickelten sich Szenen mit wechselnden Rollen und mit selbst konzipierten Dialogen. Verlangsamte Mimik und Gestik, groteskhaftes Schärfen und sicheres Gefühl für nötige Zeitanpassungen erzielten eine Intensität, die den jugendlichen Diskurs zur Ausgangsproblematik so nachhaltig ins Publikum trug.
Wolfram Brüninghaus
Fotos: Bernhard Apel
Fotos: Bernhard Apel